Deutscher Landkreistag zu Gast in Saarlouis

Veröffentlicht am: 09.03.2022

Landkreise leisten Hilfe für ukrainische Vertriebene

Das Präsidium des Deutschen Landkreistages hat sich in seiner Sitzung im Landkreis Saarlouis mit den Folgen des Krieges in der Ukraine befasst. Nach einem Austausch von Landrätinnen und Landräten aus ganz Deutschland betonte Präsident Landrat Reinhard Sager die große Bereitschaft der Landkreise, Vertriebene aus den ukrainischen Kriegsgebieten unterzubringen und zu ver-sorgen. „Wir sind sicher, dass uns dies gelingen wird, es findet bereits tausend-fach statt. Dabei können wir auf unsere guten Erfahrungen aus den Jahren 2015/2016 aufbauen.“

Deutscher Landkreistag 2022Impression der Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistages im Großen Sitzungssaal des Landratsamtes in Saarlouis. Foto: Landkreis Saarlouis/Yannick Hoen Der DLT-Präsident zeigte sich tief beeindruckt von der Hilfsbereitschaft der Menschen: „Ob es die Aufnahme der zu uns Kommenden in Unterkünften oder Einrichtungen ist oder die breite Bereitschaft in der Bevölkerung, Familien vorübergehend bei sich aufzunehmen – es bestehen eine sehr große menschliche Verbundenheit, Empathie und Mitgefühl. Das unterstützt die Landkreise als für die Unterbringung der Vertriebenen Verantwortliche dabei, diese Aufgabe zu bewältigen.“ Teilweise gebe es zudem kurzfristig ins Leben gerufene Wohnungsbörsen. In diesem Zu-sammenhang begrüßte Sager den Beschluss der EU-Innenminister als Voraussetzung für die rasche Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Es sei wichtig, dass Bund, Länder und Kommunen gut abgestimmt vorgingen, so der DLT-Präsident weiter. „Wir stehen in engem Austausch mit dem Bundesinnenministerium und sind selbstverständlich auch bereit, uns in einem möglichen Koordinierungsgremium auf Bundesebene zu engagieren. Damit alles gut laufen kann, ist eine frühzeitige Einbeziehung in politische Entscheidungen und ein gutes Zusammenwirken im Interesse der Vertriebenen unerlässlich“, sagte er. Die früheren zahlreichen Treffen mit der Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit der Flüchtlingsaufnahme seien sehr zielführend gewesen und könnten dafür ein Vorbild sein, so der DLT-Präsident.
 

Umsetzung der Impfpflicht in Einrichtungen ist herausfordernd

Der Deutsche Landkreistag hat nach einer Sitzung seines Präsidiums im Landkreis Saarlouis auf die herausfordernde Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht hingewiesen. Präsident Landrat Reinhard Sager sagte: „Wir benötigen von Bund und Ländern entsprechende Leitplanken für den Vollzug, damit eine Umsetzung der Impfpflicht gut funktionieren kann. Teilweise ist das schon geschehen, der Stichtag Mitte März rückt näher. Im Übrigen hoffen wir, dass der neue Impfstoff Novavax auch Skeptiker gerade im Pflegebereich überzeugen kann. Viele Landkreise haben letzter Zeit für eine Impfung mit Novavax geworben.“

Gruppenfoto_DLT_2022Gruppenfoto der Teilnehmer der 307. Präsidialsitzung am 7. und 8. März im Landkreis Saarlouis. Foto: Landkreis Saarlouis/Yannick Hoen Die Impfpflicht werde von den Landkreisen selbstverständlich umgesetzt – wie auch sonst jedes Gesetz, für dessen Vollzug sie zuständig seien, so Sager. Bei den vorzunehmenden Ermessensentscheidungen würden zentral auch Aspekte der Versorgungssicherheit einbezogen. „Ergebnis der Abwägung kann sein, dass die Gesundheitsämter von Betretungsverboten gegenüber ungeimpften Pflegekräften absehen müssen, wenn die gesundheitliche Versorgung insgesamt gefährdet werden würde. Dabei kommt es einzig und allein auf die Situation vor Ort an.“ Aber vielfach seien die Impfquoten beispielswiese beim Personal in Pflegeheimen erfreulich hoch, so dass die Versorgung gesichert sei.

„Und natürlich werben wir nach wie vor für die Impfung. Es ist und bleibt wichtig, gerade kranke und pflegebedürftige Menschen, die einem besonders hohem Risiko einer schweren Erkrankung ausgesetzt sind, über die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu schützen. Das bleibt auch in Anbetracht von Omikron und rückläufiger Inzidenzen richtig.“

Abschließend teilte Sager mit, dass sich Bund und Länder zur Klärung von Umsetzungsfragen auf eine enge Abstimmung der Regelungen in den Ländern verständigt hätten. „Das muss geschehen bei einem Thema, das mitunter sehr hitzig diskutiert worden ist – bis hin zu Forderungen nach einer Aussetzung der Impfpflicht. Insofern wäre es klug von Bund und Ländern, so transparent wie möglich zu agieren.“
 

Klimaschutz mit Akzeptanz

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse und dem Erfordernis einer stärkeren Unabhängigkeit von Energieimporten könne es Fortschritte in der Klima- und Energiepolitik nur im engen Schulterschluss mit den Landkreisen geben. Bislang sei es so, dass zu viele Maßnahmen über befristete Projektmittel umgesetzt würden, was nicht nachhaltig sei, so Sager. 

Im Kern gehe es um eine grundlegende Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch die verantwortlichen Länder, um von der bisherigen Projektfinanzierung zu einer grundständigen Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zu gelangen. „Darüber hinaus müssen Wertschöpfungspotenziale in den ländlichen Räumen beispielsweise bei der Windenergienutzung oder bei Wasserstofftechnologien für eine nachhaltige Energieversorgung realisiert werden.“

Ebenfalls entscheidend sei eine gerechte Lastenverteilung zwischen Stadt und Land bei erneuerbaren Energien, Industrie, Mobilität und CO2-Bepreisung, z. B. durch höhere Förderquoten bei investiven Klimaschutzmaßnahmen. „Klimaschutz und Energiepolitik sind strukturpolitische Themen, bei denen man die unterschiedlichen Betroffenheiten von Stadt und Land in eine gesunde Balance bringen muss. Nicht zuletzt, um die Akzeptanz für die Energiewende zu sichern, brauchen wir auch wirtschaftliche Anreize“, so der DLT-Präsident.
 

Erhöhung der Pendlerpauschale gut, aber nicht ausreichend

In diesem Zusammenhang sei der Beschluss des Koalitionsausschusses, die Pendlerpauschale zu erhöhen, ein richtiger Baustein für die Beförderung gleichwertiger Lebensverhältnisse, reiche aber für die in den ländlichen Räumen leben-den Menschen nicht aus: „Hier ist mehr Unterstützung gefragt, die Pendlerpauschale betrifft ja nur das Erwerbsleben und nicht andere Aspekte der Lebenswirklichkeit in ländlichen Räumen. Hinzu kommen tiefgreifende Verteilungs- und soziale Ausgleichsfragen im Verhältnis von Stadt und Land im Zuge der Klimapolitik, die immer wieder die Frage aufwerfen, wie Lasten und Entwicklungschancen im Land verteilt werden. Dafür muss die Bundesregierung sehr sensibel sein.“

Für die Menschen in den ländlichen Räumen sei die höhere steuerliche Absetzbarkeit der Pendelkosten dennoch ein gutes Signal. „Zu betonen ist außerdem, dass die Pauschale keine klimaschädliche Subvention ist, sondern als steuerrechtliches Instrument Ausdruck des Prinzips, eigene Ausgaben im Zusammenhang mit der Berufsausübung geltend zu machen. Es geht dabei um die freie Wahl des Lebensmittelpunktes und des Arbeitsortes in unserer Leistungsgesellschaft“, verdeutlichte er.
 

Ordentliche Finanzausstattung

Zum Thema der gleichwertigen Lebensverhältnisse mahnte Sager zudem eine auch weiterhin ordentliche finanzielle Mindestausstattung der Landkreise und Ge-meinden an. „Das haben die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag allerdings nicht aufgegriffen. Statt einer finanziellen Stärkung der Kommunen sind erneut zahlreiche weitere Förderprogramme, zentrale Steuerung und Projektfinanzierungen angekündigt worden.“

Dieses Defizit müsse der Bund nun ausgleichen und ernsthaft in eine Diskussion darüber eintreten, wie die Steuerausstattung der Kommunen insgesamt erhöht werden kann. „Auch sollte der Bund seine finanzielle Beteiligung an den flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten weiterführen, die Ende vergangenen Jahres ausgelaufen ist.“ Dieses Thema erlange in Anbetracht der zu uns kommenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine neue Bedeutung.
 

Corona-Zuschuss wäre verfassungswidrig

Sager sprach im Zusammenhang mit der kommunalen Finanzsituation darüber hinaus den vom Bund geplanten einmaligen Corona-Zuschuss in Höhe von 100 € an. Dieser sei ein weiterer „Sündenfall“, weil er den Landkreisen eine neue Aufgabe übertrüge, ohne für eine Finanzierung zu sorgen. „Um nicht missverstanden zu werden: Der Zuschuss für Sozialhilfeempfänger ist natürlich in der Sache sinnvoll und zu unterstützen. Aber der Bundesgesetzgeber sollte eine Regelung beschließen, nach der die Länder die Aufgabe auf die Kommunen übertragen und damit auch finanzieren. Der Bund darf nicht sehenden Auges verfassungswidrige Gesetze beschließen.“

Schon im vergangenen Jahr habe der Bund mit dem Corona-Zuschuss für Sozial-hilfeempfänger unzulässig auf die Landkreise durchgegriffen. Er erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht erst 2020 solches Handeln für verfassungswidrig erklärt hatte. „Diesem erneuten rechtwidrigen Agieren des Bundes muss deshalb ein Riegel vorgeschoben werden, notfalls wiederum durch das Bundesverfassungsgericht.“
 

Glasfaserförderung in bewährter Form weiterführen

Schließlich bekräftigte das DLT-Präsidium, dass der flächendeckende Glasfaser-ausbau in den ländlichen Räumen weiter vorangetrieben werden müsse. „Der mit Mitteln des Bundes und der Länder unterstützte Ausbau durch und in den Landkreisen hat dazu bereits einen wesentlichen Beitrag geleistet. Der geförderte Glasfaserausbau ist ein Erfolgsmodell, das auch nach dem Ende des bisherigen Förderprogramms im Jahr 2023 weitergeführt werden muss“, fasste es Sager zusammen. „Wir brauchen in Deutschland ein flächendeckendes Glasfasernetz, um bei der digitalen Infrastruktur überhaupt Anschluss an die globale Entwicklung zu finden. Der Koalitionsvertrag strebt vollkommen zu Recht Glasfaser bis in jedes Haus an.“

Auch in dieser Legislaturperiode seien dafür ausreichende Mittel von über 10 Mrd. € notwendig, und zwar überall dort, wo heute noch keine gigabitfähigen Breitbandinfrastrukturen vorhanden sei und wo sich kein rascher eigenwirtschaftlicher Ausbau abzeichne. „Insofern sollte der Bund sein Fördermodell nicht abändern, sondern weiterführen. Vor allem eine vorgeschaltete, zusätzliche bundesweite Potenzialanalyse würde hingegen zu weiteren Verzögerungen im Glasfaserausbau und zu Unwägbarkeiten für die Menschen und Unternehmen vor Ort führen, wann sie mit einem Ausbau rechnen können. Wir dürfen keine weitere wertvolle Zeit verlieren.“